Haben PR Agenturen den Native Boom verschlafen? Agenturchefs berichten

2. Juni 2017
PR Agenturen und Native Advertising

Stolze 80% der 365 Umfrageteilnehmer unserer Native Advertising Branchenumfrage sind der Meinung, dass PR Agenturen es verpasst hätten, ihren Kunden rechtzeitig Native Ads Formate anzubieten. Dieser These wollten wir nachgehen und haben mit drei Geschäftsführern erfolgreicher PR Agenturen gesprochen.

Timo Lommatzsch, Geschäftsführer der Hamburger Full-Service Agentur Orca von Loon, Stephan Fink, Vorstand, der PR Agentur Fink & Fuchs AG und Björn Sievers, Managing Director Technology & Media bei Edelman.ergo, haben uns erzählt, wie sie in ihrer Agentur mit Native Advertising umgehen.

Seeding Alliance: Was haltet ihr von Native Advertising? Kurzer Trend oder Potential für ein nachhaltiges Werbeformat?

Timo Lommatzsch_Orca von Loon

Timo Lommatzsch, Geschäftsführer Orca von Loon

Timo Lommatzsch, ORCA van Loon: Native Advertising ist ein sehr gutes, wirksames und effizientes Kommunikationsmittel, wenn es sowohl inhaltlich als auch technisch richtig umgesetzt wird. Das setzt voraus, dass Ausgangspunkt der Inhalte immer die Bedürfnisse der Zielgruppen sein müssen. Mit einem effizienten Targeting und kontinuierlicher Evaluierung und Anpassung, ist Native Advertising äußerst sinnvoll im Kommunikationsmix.

Stephan Fink, Fink & Fuchs AG: Grundsätzlich ist Native Advertising eine interessante, zusätzliche Option, um gezielt Themen auszuspielen. Dies ist anscheinend immer noch nicht ganz im Relevant-Set der Budget-Entscheider angekommen. Zudem ist Native Advertising für manche immer noch zu intransparent. Dennoch wird dieses Werbeformat eine gute Zukunft haben, vorausgesetzt die inhaltliche Qualität stimmt und es gibt noch genügend wirkliche redaktionelle Inhalte zwischen die „Sponsored & Co“ eingebaut werden können.

Björn Sievers, Edelman.ergo: Die Beliebtheit von Werbung in den Feeds der User in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter bei den Nutzern zeigt, dass Native Advertising nicht mehr nur ein Trend ist. Ich sehe großes Potential für die Weiterentwicklung der Formate und bin überzeugt, dass sich die Werbemöglichkeiten in diesem Bereich zusammen mit AdTech Firmen und Publishern noch sehr stark verändern und entwickeln werden. Die klassische Banner-Werbung wird dadurch ersetzt werden.

 

Seeding Alliance: Plant ihr, euch in Zukunft mehr auf die Bereiche Content Marketing und Native Advertising zu konzentrieren?

Timo Lommatzsch, ORCA van Loon: Diese Bereiche gehören für uns schon immer dazu und werden immer Teil von jeder gut integrierten Kommunikationsstrategie sein.

Stephan-Fink_Fink-und-Fuchs-PR-Vorstandsvorsitzender

Stephan Fink, Vorstand Fink & Fuchs AG

Stephan Fink, Fink & Fuchs AG: Wir und auch viele unserer PR-Kollegen, setzen schon seit langem auf diese Themen. Das Aufbereiten unterschiedlicher Inhalte gehört seit jeher zum Kerngeschäft von PR-Agenturen. Im Hinblick auf die Vermarktung von Inhalten sollten Marketing und PR intensiver zusammenarbeiten. In immer mehr Agenturen gibt es, egal was auf dem Türschild steht, Know-How auf „beiden Seiten“, und das nötige Digital-Know-How allemal. Das trifft nicht auf Jeden zu, schließlich gibt es in allen Bereichen Spezialisten, die nicht alles, aber dafür einiges sehr gut beherrschen.

Björn Sievers, Edelman.ergo: Edelman.ergo hat diese Bereiche schon seit zwei Jahren stark im Digital-Portfolio integriert. Das Zusammenspiel zwischen digitalem Know-How und PR-Storytelling-Expertise ist der ideale Mix für uns, um erfolgreich für unsere Kunden zu arbeiten. Ob über Social Media Kanäle, Sponsored Content Partnerschaften oder in Zusammenarbeit mit individuellen Plattformen: Storytelling steht bei uns im Mittelpunkt und Native Advertising ist ein fester und wachsender Bestandteil unseres Communications Marketing Ansatzes.

 

Seeding Alliance: Welche Qualitäten setzt ihr den Content Marketing Agenturen entgegen, die sich aktuell als Content-Ersteller für Native Ads etabliert haben?

Timo Lommatzsch, ORCA van Loon: Da wir schon recht lange dabei sind, haben wir genauso viel technisches Know-How wie diese Agenturen. Auch haben wir zuweilen ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der Zielgruppen. Was uns oft unterscheidet ist, dass wir die Konzeption der Kampagnen und die damit einhergehende Kommunikation zusammen im Blick haben. So können wir umfassend integriert konzipieren und leichter nachjustieren, wenn aus irgendwelchen Gründen Maßnahmen nicht funktionieren.
Außerdem kriegen wir von Kunden gespiegelt, dass wir sie und ihre (Gesamt)Bedürfnisse, eher verstehen und die Beratung und Umsetzung bei uns qualitativ hochwertiger ist, als bei einer 1.000 Personen Agentur, wo sie Kunde Nr. 357 sind und deshalb zum Beispiel oft standardisiert beraten werden.

Stephan Fink, Fink & Fuchs AG: Content Marketing ist ein erfolgreiches Buzzword, das die Möglichkeiten zur Aufbereitung und Verbreitung von Themen und Inhalten, v.a. im digitalen Bereich, recht gut umschreibt. Werbe-, PR-, oder Kommunikationsagenturen tun dies, jeweils bezogen auf ganz spezifische Businessziele und Zielgruppen, schon seit langem recht erfolgreich.
Ob sich hinter dem Siegel „Content Marketing Agentur“ wirklicher Mehrwert verbirgt, müssen die jeweiligen Agenturen unter Beweis stellen. Geeignete Inhalte für Native Ads zu erstellen, reicht alleine nicht aus, um komplexe kommunikative Fragestellungen zu lösen. Da sind strategische Denke und Methodik, echte Kampagnenfähigkeit und disziplinübergreifendes Knowhow gefordert. Native Ads sind hier nur ein Instrument im immer größer werdenden Orchester der kommunikativen Möglichkeiten, aber kein Universalwerkzeug.

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Björn Sievers, Managing Director Technology & Media bei Edelman.ergo

Björn Sievers, Edelman.ergo: Für uns beginnt die Planung von Paid-Media Aktivitäten damit, die Geschichte unseres Kunden zu erzählen. Wir nutzen dazu Ad-Formate, die diese Geschichten unterstützen und setzen auf ein Zusammenspiel von Paid-Media und organischer Reichweite.
Ohne die Anerkennung der Nutzer ist beworbener Content nicht authentisch. Aber nur auf organische Reichweite kann man sich in der heutigen digitalen Welt nicht verlassen.
Wir vereinen ein tiefes Verständnis für unsere Kunden und deren Zielgruppe mit digitalen Experten (Paid Media Spezialisten, Programmierer, Grafiker, Social Media Experten und viele mehr) und sind so in der Lage, Native Advertising in seinem gesamten Marketing-Mix sinnvoll zu integrieren.

 

Native Advertising ist kein Trend mehr, aber die Zukunft bleibt trotzdem ungewiss

Alle drei Geschäftsführer stimmen zu, dass Native Advertising kein Trend ist und viel Potential für das Marketing der Zukunft bietet. Es bedarf jedoch ein paar Optimierungsmöglichkeiten: Stephan Fink empfindet das Format für viele seiner Kunden als noch zu intransparent. Auch Timo Lommatzsch ist der Meinung, dass Native Advertising flächendeckend nur erfolgreich sein kann, wenn es auch richtig durchgeführt wird und somit die Bedürfnisse der Zielgruppe im Fokus stehen, umfassendes Targeting durchgeführt wird und eine durchgängige Evaluation stattfindet.
Die drei Geschäftsführer sind sich einig, dass ihre PR-Agenturen, Content Marketing Agenturen in nichts nachstehen.
Björn Sievers bestätigt, dass Native Advertising bei Edelman.ergo fester Bestandteil der Marketingstrategie ist.
Timo Lommatzsch ist sogar der Meinung, dass sich PR-Agenturen mehr Zeit für ihre Kunden nehmen können, als große Content Marketing Agenturen.
Alle kommen in dem Punkt überein, dass es durchaus Sinn macht, sich auf eine Disziplin zu fokussieren, wenn man sich als Experte auf dem Markt etablieren möchte. Vielleicht doch ein Zugeständnis an die Content Marketing Agenturen?

Stephan Fink gibt zusätzlich zu bedenken: „Welches Werbeformat in Zukunft erfolgreich sein wird, können wir heute zwar anhand von Marktprognosen erahnen, disruptive Veränderungen sind hingegen nicht kalkulierbar. Auswirkungen von technischen Entwicklungen, wie Alexa und Co., regulatorische Maßnahmen, die die Targeting Optionen beeinflussen oder Änderungen im Mediennutzungsverhalten, sind heute noch nicht vorhersehbar. Wir denken bereits heute darüber nach, welche Auswirkungen KI-Technologien auf unsere Aufgaben haben werden. Damit sind wir sicherlich nicht alleine. Es wird neue Paid- wie auch Earned-Optionen für die Kommunikation geben, die wir noch gar nicht abschätzen können. Ich bin da sehr gespannt auf die weitere Entwicklung.“

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